Wahllexikon zur Bundestagswahl und zu Landtagswahlen

In diesem Wahllexikon werden wichtige Begriffe zur Bundestagswahl und zu den Landtagswahlen mit Bezügen und Verweisen zu den jeweiligen Wahlgesetzen, den Landesverfassungen und dem Grundgesetz erklärt:

Abgeordnete und Parlamentsgröße

Synonyme: Parlamentarier, Volksvertreter

Abgeordnete sind die in demokratischer Wahl von den Wahlberechtigten in ein Parlament gewählte Personen. Der Bundestag, die Landtage, das Abgeordnetenhaus und die Bürgerschaften haben eine Mindestanzahl an Abgeordneten festgelegt. Die Zahl an Abgeordneten im Parlament kann sich jedoch durch Übergangs- oder Ausgleichsmandate erhöhen.

Mindest­anzahl an Abgeord­netenParlamente
51
69
71
83
84
88
101
110
120
121
130
135
180
181
630

Erststimme

Synonyme: Wahlkreisstimme, Direktstimme

Mit der Erststimme wird bei der Bundestagswahl und den meisten Landtagswahlen der Direktkandidat (Direktbewerber) eines Wahlkreises gewählt. Derjenige, der die meisten Stimmen erhält (Mehrheitswahl), kommt als gewählter Abgeordneter (Direktmandat) ins Parlament (z. B. § 5 BWahlG). Er zieht unabhängig vom Ergebnis der Zweitstimmen ins Parlament ein. Das Zusammenspiel von Erst- und Zweitstimme entspricht damit in den meisten Fällen dem Prinzip einer personalisierten Verhältniswahl.

Ausnahmen

  • In Bayern hat die Erststimme zudem Einfluss auf die prozentuale Sitzverteilung im Parlament und wird dafür mit den Zweitstimmen zusammengerechnet (sog. Gesamtstimmen). Außerdem ziehen die Gewinner der Stimmkreise nur ins Parlament ein, wenn deren Partei nach den Gesamtstimmen mindestens fünf Prozent erreicht.
  • In Baden-Württemberg gibt es nur eine Stimme für den Wahlkreiskandidaten, welche auch über die prozentuale Sitzverteilung im Parlament bestimmt. Eine Zweitstimme gibt es ebenso wenig wie Parteilisten.
  • Das Saarland hat als einziges Bundesland keine Erststimme, sondern nur eine Stimme, mit der sowohl Wahlkreis- als auch Landesliste gewählt werden. Diese entspricht damit einer Zweitstimme. Es findet demnach eine reine Verhältniswahl statt.

Fünf-Prozent-Hürde

Grundsätzlich kommen nur Parteien ins Parlament, wenn sie prozentual mehr als fünf Prozent der Zweitstimmen (in Bayern: Gesamtstimmen; in Baden-Württemberg: Anteil der Stimmen der Wahlkreiskandidaten) erhalten. Ausnahmsweise kommen jedoch Parteien mit ihrem prozentualen Anteil auch unter fünf Prozent bei der Bundestagswahl und bestimmten Landtagswahlen ins Parlament, wenn sie:

Grundmandatsklausel

Unter der Grundmandatsklausel versteht man eine Ausnahme von der Fünf-Prozent-Hürde, bei welcher eine bestimmte Anzahl an errungenen Direktmandaten eine prozentuale Geltung der Zweitstimmen und damit den Einzug der Partei über ihre Landesliste in das jeweilige Parlament zulässt.

Für den Sächsischen Landtag sind dabei zwei Direktmandate und für das Berliner Abgeordnetenhaus, den Brandenburger Landtag und den Landtag von Schleswig-Holstein ein Direktmandat erforderlich. Die Grundmandatsklausel für den Bundestag wurde mit der Wahlrechtsreform von 2023 abgeschafft.

benötigte Direkt­mandateParlamente
1
2

Sitzzuteilungsverfahren

Es gibt verschiedene Verfahren, um aus der Anzahl an Zweitstimmen (in Bayern: Gesamtstimmen; in Baden-Württemberg: Stimmen der Wahlkreiskandidaten) die jeder Partei zustehenden Sitze auszurechnen. Die Sitzzuteilung erfolgt zur Bundestagswahl und zu den meisten Landtagswahlen nach Sainte-Laguë/Schepers oder nach dem in der Regel zu gleichen Ergebnissen führenden Verfahren nach Hare/Niemeyer. Lediglich in Niedersachsen, Sachsen und im Saarland wird (noch) das Verfahren nach D’Hondt angewendet, was jedoch größere Parteien bevorzugt.

VerfahrenParlamente
Sainte-Laguë
Hare/Niemeyer
D’Hondt

Verfahren nach Sainte-Laguë

Beim Divisorverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers wird die Anzahl an Zweitstimmen je Partei durch einen gemeinsamen Divisor geteilt und gerundet (Standardrundung). Dabei wird die Gesamtzahl an Zweitstimmen aller Parteien zunächst durch die Gesamtzahl an Sitzen des Parlaments geteilt. Anschließend wird der erhaltene Divisor so lange herauf- bzw. herabgesetzt, bis die Sitzzuteilung mit der Anzahl der zu vergebenen Sitze übereinstimmt.

Verfahren nach Hare/Niemeyer

Beim Verfahren nach Hare/Niemeyer wird die Anzahl an Zweitstimmen je Partei zunächst durch die Gesamtzahl an Zweitstimmen dividiert und anschließend mit der Anzahl an Sitzen des Parlaments multipliziert. Der erhaltene Wert (Quote) wird dann abgerundet und steht der Partei an Sitzen zu (Grundverteilung). Anschließend werden die übrigen Sitze in der Reihenfolge der Nachkommastelle der Quote verteilt, bis die Sitzzuteilung mit der Anzahl der zu vergebenen Sitze übereinstimmt (Restverteilung).

Verfahren nach D'Hondt

Beim Höchstzahlverfahren nach D'Hondt wird die Anzahl an Zweitstimmen je Partei aufsteigend durch ganze Zahlen geteilt. Die Sitze werden anschließend in der Reihenfolge der dabei entstehenden Höchstzahlen vergeben.

Überhangmandate und Ausgleichsmandate

Erhält eine Partei mehr Direktmandate über die Erststimme als ihr prozentual nach dem Ergebnis der Zweitstimmen (in Bayern: Gesamtstimmen; in Baden-Württemberg: Stimmen der Wahlkreiskandidaten) zustünden, so entstehen Überhangmandate. Diese bleiben als Direktmandate einer Partei immer erhalten (z. B. § 6 IV 2 BWahlG), wodurch sich die Gesamtzahl an Abgeordneten im Parlament erhöht und das prozentuale Verhältnis verzerrt wird. Um das Verhältnis nach den Zweitstimmen wieder herzustellen, setzen manche Wahlgesetze daher Ausgleichsmandate ein (z. B. § 6 V, VI 1 BWahlG).

Wahlalter

Beim Wahlalter unterscheidet man das aktive Wahlrecht (selbst zu wählen) und das passive Wahlrecht (gewählt zu werden).

Aktives Wahlrecht (Wahlberechtigung)

Das Alter beim aktiven Wahlrecht beträgt in der Regel 18 Jahre. In bestimmten Bundesländern wie Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein kann jedoch bereits ab 16 Jahren gewählt werden.

Wahl­alterParlamente
16 Jahre
18 Jahre

Passives Wahlrecht (Wählbarkeit)

Das Alter des passiven Wahlrechts beträgt einheitlich 18 Jahre. Zuvor konnte man sich in Hessen bis November 2019 erst ab 21 Jahren zur Wahl aufstellen.

Wahl­alterParlamente
18 Jahre

Wahlperiode

Der Bundestag und die Bremische Bürgerschaft werden alle vier Jahre gewählt, während die Parlamente der anderen Bundesländer alle fünf Jahre gewählt werden. Ausnahmsweise ist die Wahlperiode im Falle von vorgezogenen Neuwahlen kürzer.

Wahl­periodeParlamente
4 Jahre
5 Jahre

Zweitstimme

Synonyme: Parteienstimme, Listenstimme, Landesstimme

Mit der Zweitstimme wird bei der Bundestagswahl und fast allen Landtagswahlen eine Landesliste (Partei) gewählt. Die Zweitstimme ist ausschlaggebend für die prozentuale Sitzverteilung im Parlament (Verhältniswahl). Grundsätzlich ziehen nur Parteien ins Parlament ein, die über die Fünf-Prozent-Hürde gelangen (z. B. § 6 III BWahlG); Ausnahmen bestehen gegebenenfalls für nationale Minderheiten oder wegen der Grundmandatsklausel.

Ausnahmen

  • In Bayern hat jedoch auch die Erststimme Einfluss auf die Sitzverteilung (siehe Gesamtstimme).
  • In Baden-Württemberg gibt es nur eine Stimme für den Wahlkreiskandidaten, welche auch über die prozentuale Sitzverteilung im Parlament bestimmt. Eine Zweitstimme gibt es ebenso wenig wie Parteilisten. Trotzdem findet über das Verhältnis der Stimmen für die Wahlkreiskandidaten eine prozentuale Sitzverteilung statt.
  • Das Saarland hat als einziges Bundesland keine Erststimme, sondern nur eine Stimme, mit der sowohl Wahlkreis- als auch Landesliste gewählt werden. Diese entspricht damit einer Zweitstimme. Es findet demnach eine reine Verhältniswahl statt.