Wahllexikon zur Bundestagswahl und zu Landtagswahlen

In diesem Wahl­lexikon werden wichtige Begriffe zur Bundestags­wahl und zu den Landtags­wahlen mit Bezügen und Verweisen zu den jeweiligen Wahl­gesetzen, den Landes­verfassungen und dem Grund­gesetz erklärt:

Abgeordnete und Parlamentsgröße

Synonyme: Parlamentarier, Volksvertreter

Abgeordnete sind die in demo­kratischer Wahl von den Wahlberechtigten in ein Parlament gewählte Personen. Der Bundestag, die Landtage, das Abgeordneten­haus und die Bürger­schaften haben eine Mindest­anzahl an Abgeordneten festgelegt. Die Zahl an Abgeordneten im Parlament kann sich jedoch durch Übergangs- oder Ausgleichs­mandate erhöhen.

Mindest­anzahl an Abgeord­netenParlamente
51
69
71
83
84
88
101
110
120
121
130
135
180
181
630

Erststimme

Synonyme: Wahlkreisstimme, Direktstimme

Mit der Erst­stimme wird bei der Bundestags­wahl und den meisten Landtags­wahlen der Direkt­kandidat (Direkt­bewerber) eines Wahl­kreises gewählt. Derjenige, der die meisten Stimmen erhält (Mehrheits­wahl), kommt grund­sätzlich als gewählter Abgeordneter (Direkt­mandat) ins Parlament. Er zieht in der Regel unabhängig vom Ergebnis der Zweit­stimmen ins Parlament ein. Das Zusammen­spiel von Erst- und Zweit­stimme ent­spricht damit in den meisten Fällen dem Prinzip einer personalisierten Verhältnis­wahl.

Ausnahmen

  • Bei der Bundestags­wahl gilt seit der Wahlrechts­reform 2023, dass Direkt­kandidaten nur dann als Abgeordnete in den Bundes­tag einziehen, wenn der Partei nach den Zweit­stimmen genügend Sitze zur Verfügung stehen (Verfahren der Zweit­stimmen­deckung), wobei die Direkt­kandidaten nach ihrem Erst­stimmen­anteil gereiht werden (§ 6 BWahlG [BT]). Dadurch ist es möglich, dass direkt gewählte Kandidaten nicht in den Bundes­tag einziehen, wenn der Partei nach dem Zweit­stimmen­anteil weniger Sitze als gewählte Direkt­kandidaten zustehen.
  • In Bayern hat die Erst­stimme zudem Einfluss auf die prozentuale Sitz­verteilung im Parlament und wird dafür mit den Zweit­stimmen zusammen­gerechnet (sog. Gesamt­stimmen). Außer­dem ziehen die Gewinner der Stimm­kreise nur ins Parlament ein, wenn deren Partei nach den Gesamt­stimmen mindestens fünf Prozent erreicht.
  • In Baden-Württemberg gibt es nur eine Stimme für den Wahl­kreis­kandidaten, welche auch über die prozentuale Sitz­verteilung im Parlament bestimmt. Eine Zweit­stimme gibt es ebenso wenig wie Partei­listen.
  • Das Saarland hat als einziges Bundesland keine Erst­stimme, sondern nur eine Stimme, mit der sowohl Wahlkreis- als auch Landes­liste gewählt werden. Diese entspricht damit einer Zweit­stimme. Es findet demnach eine reine Verhältnis­wahl statt.

Fünf-Prozent-Hürde

Grund­sätzlich kommen nur Parteien ins Parlament, wenn sie prozentual mehr als fünf Prozent der Zweit­stimmen (in Bayern: Gesamt­stimmen; in Baden-Württemberg: Anteil der Stimmen der Wahl­kreis­kandidaten) erhalten. Ausnahms­weise kommen jedoch Parteien mit ihrem prozentualen Anteil auch unter fünf Prozent bei der Bundestags­wahl und bestimmten Landtags­wahlen ins Parlament, wenn sie:

Grundmandatsklausel

Unter der Grund­mandats­klausel versteht man eine Ausnahme von der Fünf-Prozent-Hürde, bei welcher eine bestimmte Anzahl an errungenen Direkt­mandaten eine prozentuale Geltung der Zweit­stimmen und damit den Einzug der Partei über ihre Landes­liste in das jeweilige Parlament zulässt.

Für den Sächsischen Landtag sind dabei zwei Direkt­mandate und für das Berliner Abgeordneten­haus, den Brandenburger Landtag und den Landtag von Schleswig-Holstein ein Direkt­mandat erforderlich. Die Grund­mandats­klausel für den Bundestag wurde mit der Wahl­rechts­reform von 2023 abgeschafft. Allerdings gilt sie wegen eines Urteils des Bundes­verfassungs­gerichts vom 30.07.2023 faktisch fort, bis eine neue gesetz­liche Regelung in Hinblick auf die Sperr­klausel getroffen wurde.

benötigte Direkt­mandateParlamente
1
2
3

Sitzzuteilungsverfahren

Es gibt verschiedene Verfahren, um aus der Anzahl an Zweit­stimmen (in Bayern: Gesamt­stimmen; in Baden-Württemberg: Stimmen der Wahl­kreis­kandidaten) die jeder Partei zustehenden Sitze auszurechnen. Die Sitz­zuteilung erfolgt zur Bundes­tagswahl und zu den meisten Landtags­wahlen nach Sainte-Laguë/Schepers oder nach dem in der Regel zu gleichen Ergebnissen führenden Verfahren nach Hare/Niemeyer. Lediglich in Niedersachsen und im Saarland wird (noch) das Verfahren nach D’Hondt angewendet, was jedoch größere Parteien bevorzugt.

VerfahrenParlamente
Sainte-Laguë
Hare/Niemeyer
D’Hondt

Verfahren nach Sainte-Laguë

Beim Divisor­verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers wird die Anzahl an Zweitstimmen je Partei durch einen gemein­samen Divisor geteilt und gerundet (Standard­rundung). Dabei wird die Gesamt­zahl an Zweit­stimmen aller Parteien zunächst durch die Gesamt­zahl an Sitzen des Parlaments geteilt. Anschließend wird der erhaltene Divisor so lange herauf- bzw. herab­gesetzt, bis die Sitz­zuteilung mit der Anzahl der zu vergebenen Sitze übereinstimmt.

Verfahren nach Hare/Niemeyer

Beim Verfahren nach Hare/Niemeyer wird die Anzahl an Zweit­stimmen je Partei zunächst durch die Gesamt­zahl an Zweit­stimmen dividiert und anschließend mit der Anzahl an Sitzen des Parlaments multi­pliziert. Der erhaltene Wert (Quote) wird dann abgerundet und steht der Partei an Sitzen zu (Grund­verteilung). Anschließend werden die übrigen Sitze in der Reihen­folge der Nach­komma­stelle der Quote verteilt, bis die Sitz­zuteilung mit der Anzahl der zu vergebenen Sitze über­einstimmt (Rest­verteilung).

Verfahren nach D'Hondt

Beim Höchst­zahl­verfahren nach D'Hondt wird die Anzahl an Zweit­stimmen je Partei aufsteigend durch ganze Zahlen geteilt. Die Sitze werden anschließend in der Reihen­folge der dabei entstehenden Höchst­zahlen vergeben.

Überhangmandate und Ausgleichsmandate

Erhält eine Partei mehr Direkt­mandate über die Erst­stimme als ihr prozentual nach dem Ergebnis der Zweit­stimmen (in Bayern: Gesamt­stimmen; in Baden-Württemberg: Stimmen der Wahl­kreis­kandidaten) zustünden, so entstehen Überhang­mandate. Diese bleiben als Direkt­mandate einer Partei in der Regel erhalten, wodurch sich die Gesamt­zahl an Abgeordneten im Parlament erhöht und das prozentuale Verhältnis verzerrt wird. Um das Verhältnis nach den Zweit­stimmen wieder her­zustellen, setzen manche Wahl­gesetze daher Ausgleichs­mandate ein. Seit der Wahl­rechts­reform 2023 wurden jedoch Überhang­mandate und Ausgleichs­mandate für den Bundestag abgeschafft - es gilt das Verfahren der Zweit­stimmen­deckung.

Wahlalter

Beim Wahl­alter unter­scheidet man das aktive Wahl­recht (selbst zu wählen) und das passive Wahl­recht (gewählt zu werden).

Aktives Wahlrecht (Wahlberechtigung)

Das Alter beim aktiven Wahl­recht beträgt in der Regel 18 Jahre. In bestimmten Bundes­ländern wie Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein kann jedoch bereits ab 16 Jahren gewählt werden.

Wahl­alterParlamente
16 Jahre
18 Jahre

Passives Wahlrecht (Wählbarkeit)

Das Alter des passiven Wahl­rechts beträgt einheitlich 18 Jahre. Zuvor konnte man sich in Hessen bis November 2019 erst ab 21 Jahren zur Wahl aufstellen.

Wahl­alterParlamente
18 Jahre

Wahlperiode

Der Bundestag und die Bremische Bürger­schaft werden alle vier Jahre gewählt, während die Parlamente der anderen Bundes­länder alle fünf Jahre gewählt werden. Ausnahms­weise ist die Wahl­periode im Falle von vorgezogenen Neu­wahlen kürzer.

Wahl­periodeParlamente
4 Jahre
5 Jahre

Zweitstimme

Synonyme: Parteienstimme, Listenstimme, Landesstimme

Mit der Zweit­stimme wird bei der Bundestags­wahl und fast allen Landtags­wahlen eine Landes­liste (Partei) gewählt. Die Zweit­stimme ist aus­schlag­gebend für die prozentuale Sitz­verteilung im Parlament (Verhältnis­wahl). Grund­sätzlich ziehen nur Parteien ins Parlament ein, die über die Fünf-Prozent-Hürde gelangen; Ausnahmen bestehen gegebenen­falls für nationale Minder­heiten oder wegen der Grund­mandats­klausel.

Ausnahmen

  • In Bayern hat jedoch auch die Erststimme Einfluss auf die Sitzverteilung (siehe Gesamtstimme).
  • In Baden-Württemberg gibt es nur eine Stimme für den Wahl­kreis­kandidaten, welche auch über die prozentuale Sitz­verteilung im Parlament bestimmt. Eine Zweit­stimme gibt es ebenso wenig wie Partei­listen. Trotzdem findet über das Verhältnis der Stimmen für die Wahl­kreis­kandidaten eine prozentuale Sitz­verteilung statt.
  • Das Saarland hat als einziges Bundes­land keine Erst­stimme, sondern nur eine Stimme, mit der sowohl Wahl­kreis- als auch Landes­liste gewählt werden. Diese entspricht damit einer Zweit­stimme. Es findet demnach eine reine Verhältnis­wahl statt.